Das Wort „in Hädern“ wurde abgeleitet von dem griechischen Worte έτεροι (heteroi) = Fremde, für diese Auslegung läßt sich aber nur schwer ein greifbarer Grund geltend machen. Die Annahme, daß die Römer jene, welche die Kirche St. Martin gründeten und besuchten έτεροι = Fremde genannt haben sollen, ist zu gesucht und unbegründet. Tatsache dagegen ist, dass die Flur, auf welcher St. Martin stand, die Viehweide bildetete, um welche es zwischen Markt und Kloster vielfachen Streit und Hader absetzte, weshalb der Flurteil vom Volke auch die „Haderänger“ genannt wurde. St. Martin in Hädern würde demnach heißen: St. Martin in der Flur der Haderänger.
Zu den ältesten Kirchen Oberbayerns gehörte das Gotteshaus St. Martin. Markus Welser stellt in seiner „Chronik der Stadt Augsburg“ die Behauptung auf, daß St. Martin bei Diessen schon zu den Zeiten der hl. Afra († 304 n. Chr.) bestand und einen eigenen Priester gehabt habe, welcher dort das hl. Opfer feierte. Gailer erklärt in s. Vind. sacr. p 110 St. Martin als die älteste Kirche in Oberbayern, gegründet von dem aus Spanien flüchtigen hl. Narzissus, welcher in der diokletianischen Christenverfolgung die Venuspiesterin Afra in Augsburg bekehrte, weshalb der Prätor Gajus sie am 7. August 304 zum Tode verurteilte und auf einer Lechinsel verbrennen ließ.
Der Sage gemäß soll St. Martin von einem christlichen römischen Landpfleger erbaut worden sein. Den Namen St. Martin erhielt das Kirchlein, als die Franken unter Kaiser Karl d. Gr. Herren der hiesigen Gegend wurden. Der Klosterchronist P. Dall Abaco stellt fest, daß alten Urkunden zufolge, welche im Besitz des Klosters waren, Bischof Ulrich von Augsburg ca. 960 die restaurierte Kirche St. Martin eingeweiht habe.
Nach der Niederbrennung des Klosters und der Kirche St. Georgen durch die Hunnen im Jahre 955 diente St. Martin bis etwa 1020 – bis zur Wiedererbauung von St. Georgen – dem Pfarrsprengel Diessen zur Pfarrkirche.
Das Stift Dießen widmete diesem ehrwürdigen Gotteshause seine besondere Sorgfalt. Als dasselbe baufällig geworden war, ließ es Propst Konrad II. im Jahre 1330 neu aufbauen. Dasselbe tat Propst Konrad V. im Jahre 1550. Dem „alten Gefällverz. v. J. 1739 v. .P. Ferdinand“ zufolge,
„ist im Jahre 1739 in dem St. Martinskirchlein statt des schlechten, hölzernen Tabulets ein neues weißes Gewölbe, doch nur von Holz, gemacht worden; auch die Fenster vergrößert und neu gemacht, ingleich der Dachstuhl ausgebessert worden. Die Kosten und Ausgaben haben sich auf 210 Gulden erstreckt.“
Im Jahre 1764 ist auch allda eine neue Predigtkanzel gemacht wordem welche 46 Gulden kostete.
Die vorige schon gegen 300 Jahre alte Kanzel wurde unter das Klosterdach über dem Noviziat aufbewahrt.
In der Kirche standen 3 Altäre. Der Choraltar war dem hl. Martin, die Nebenaltäre der hl. Afra, bzw. den hll. Antonius und Laurentius geweiht.
Das Patrozinium wurde am 11. November, die Kirchweih am
7. August gefeiert. Am Feste des hl. Ulrich war dortselbst der Pfarrgottesdienst.
Im Jahre 1799 bzw. 1800 wurden die im Klosterlazareth verstorbenen russischen Soldaten bei St. Martin beerdigt.
Nach der Klosteraufhebung verkaufte das Ärar die Kirche St. Martin um 90 Gulden zum Abbruch. Eine Kirche von unschätzbarem historischem Werte ging so verloren. Ein Zeitgenosse, Mathä Schindler, schreibt darüber:
Ein Schäffler von St. Georgen, mit Namen Leonhard Sepp, hatte um 90 Gulden (nach anderen gar bloß um 39 Gulden) die Kirche St. Martin gekauft und übernahm den Abbruch. Alles jammerte und klagte über dessen Frevelmut. Hatte später auch kein Glück mehr gehabt….. Wie er nun im Innern der Kirche die Mauersteine besichtigte und berechnete, wie hoch der Gewinn ausfallen möchte, flogen 2 Steine von den Fenstern auf ihn herein. Er ging hinaus um zu sehen, allein es fand sich Niemand, ja nicht einmal eine Menschenspur auf dem Schnee. Er ging also wieder hinein und besichtigte auf dem Choraltar die Steine. Aber auf einmal hörte er ein Gepolter, als wenn es Steine über ihn herabregnen wollte. Weil er aber keinen Stein sah, überfiel ihn eine ungeheure Angst und Schrecken, so daß er nach Hause wankte. Viele Gedanken quälten ihn auf diesem Wege und vorzüglich ängstigte ihn die Mahnung: „Es könnte halt doch nicht recht sein, daß ich diese alte Kirche abbreche.“ So schwebte er lange zwischen Wohl und Übel. Auf einmal aber bemächtigte sich seiner mit Riesenkraft der Wuchergedanke: Die Kirche ist gekauft. Die Steine tragen Geld - und hiermit war das Loos der Kirche entschieden.
Als der Abbruch beginnen sollte und die Arbeitsleute, worunter auch sein Sohn war, anfingen auf das Dach und den Turm zu steigen, überfiel sie alle Übelkeit und ein solcher Schwindel, daß sie heruntersteigen mussten. Sie gingen daher nach Hause mit dem Bemerken: „Diese Kirche lässt sich nicht abbrechen.“ Später versuchten sie es ein zweites Mal, allein gleichfalls ohne Erfolg. Erst zum dritten Male gelang es ihnen, den Abbruch zu beginnen und ohne Unglück zu vollenden.
(Quelle: Chronik von Diessen)